Zu Besuch in Sambia

Zu Besuch in Sambia

Die langjährige Sekretärin der Seelsorgestelle Rütihof, Susanne Widmer, hat ihre Arbeitsstelle in unserer Pfarrei per Ende Juli verlassen. Bevor sie eine neue berufliche Herausforderung in Angriff nimmt, verbrachte sie rund vier Wochen bei Lis Krämer im Mulele Old People Village in Sambia – ein Projekt, das in Rütihof bekannt ist und bereits viel Unterstützung erfahren hat. Viel Spass beim Lesen des interessanten, persönlichen Erfahrungsbericht aus Afrika – herzlichen Dank, Susanne:

«Zwar habe ich im Voraus schon viel darüber gelesen, Bilder angeschaut und noch mehr im persönlichen Gespräch über das Mulele Village erfahren. Es dann aber mit eigenen Augen zu sehen, die Leute von den Fotos persönlich kennenzulernen und Einblick in den dortigen Alltag und die Lebensweise der Sambier zu erhalten, hat mir noch einen ganz anderen, tiefen Eindruck dieses wunderbaren und sinnvollen Projekts vermittelt. Gerne möchte ich Euch berichten, was ich bei meinem einmonatigen Besuch bei Lis Krämer in Sambia erlebt und erfahren habe.

Dass es zur Deckung der laufenden Betriebskosten des Projekts eine Bäckerei sowie eine kleine aufblühende Bio-Farm gibt, wusste ich bereits – wir alle konnten es in den vergangenen Berichten lesen. Und dass diese Einnahmen längst nicht ausreichen und Mulele deshalb auf Spenden (die vorwiegend aus der Schweiz kommen) angewiesen ist, war mir ebenfalls bekannt. Dies soll jedoch nicht so bleiben: Angestrebtes Wunsch-Ziel ist, dass am Ende von Lis Krämers Einsatz, also in zweieinhalb Jahren, Mulele möglichst spendenunabhängig ist und es aus eigener Kraft schafft, den Betrieb ohne Hilfe zu finanzieren und weiterzuführen.

Damit dies gelingen kann, wurden zusammen neue Ideen gesucht – und gefunden. Der Rufunsa District, wo der Ort Mpanshya mit dem Mulele Old People Village angesiedelt ist, ist eine sich entwickelnde Gegend; die Regierung entsendet Arbeitskräfte (Lehrer, Beamte, Pflegepersonal etc.), die Wohnraum benötigen. Und der ist rar – ausser man ist mit einer sehr einfachen, grasbedeckten Lehmhütte (ohne Wasser) zufrieden. Deshalb liegt es auf der Hand, dass sich die Investition in Immobilien lohnt. Im Klartext heisst das, dass das Management und der Verwaltungsrat von Mulele beschlossen haben, fünf Doppelhäuser zu bauen und zu vermieten. Platz ist ja genügend vorhanden. Die Finanzierung ist allerdings nicht einfach, denn sie muss vollständig aus Spendengeldern gedeckt werden. Ein einstöckiges Doppelhaus (Ziegelbau mit Wellblechdach, pro Hausteil 2 Schlafzimmer, 1 Wohnraum, Küche und WC, auf jeder Seite 1 Veranda) kostet rund 12‘000 Franken. Während meines Besuchs durfte ich miterleben, wie so ein Doppelhaus entsteht. Denn zur grossen Freude aller ist die Finanzierung von 2 Doppelhäusern bereits gesichert!

Nun ist es nicht so, dass mich Baustellen an sich wahnsinnig interessieren – in Rütihof sind wir ja seit Jahren gut bedient damit… Aber dies in Mpanshya hautnah zu erleben, war ein Erlebnis ohnegleichen. Nach der Euphorie über den tatsächlich bevorstehenden Baubeginn des ersten Hauses überschlugen sich die Ereignisse fast und es war natürlich Chefsache, das Gelände zu vermessen und festzulegen, wo das erste Doppelhaus hingebaut wird, damit dann auch ja alle Platz haben. Da das Land, auf dem das Mulele Projekt steht, der ansässigen Chieftainess gehört (sie ist auch im Verwaltungsrat vertreten), braucht es weder eine offizielle Baubewilligung, noch hat es Auflagen. Die mündliche Zusage reicht. Was sehr praktisch ist, da man dann einfach einen Plan (wünschenswert) sowie Baumaterialien braucht um loszulegen. Jedoch ist es von Vorteil, wenn alle sich beim «Vermessen» des Geländes über die Anordnung der Doppelhäuser einig sind. Aber auch da reicht eine in den sandigen Boden gekritzelte Zeichnung vollkommen aus… Und dann musste auch noch gerechnet werden: Breite der Häuser mal 5 plus korrekte Anzahl Abstände zwischen den Häusern (…wie weit sollen die Häuser voneinander entfernt stehen – vielleicht so?… ) Schliesslich gelangte man zur Überzeugung, dass das noch ungerodete Stück Busch wunderbar ausreicht. Ausgerüstet (immerhin!) mit einem 100m-Messband, stapfte der Manager, Mr. Peter Musambachime, höchstpersönlich durchs Gelände und «markierte» die wichtigen Stellen. Zuerst nur mit einem Kreuz am Boden (Holz war grad nirgends zur Hand – der Kompromiss war dann ein zusätzlicher Backstein als Kennzeichnung).

Landvermessung auf pragmatische Art und Weise

Lis hatte schon Bedenken, wie es denn möglich sein könnte, nur mit diesen «Hilfsmitteln» korrekte 90° Winkel darzustellen? Zur allgemeinen Beruhigung versicherte der Verwaltungsratpräsident, dass der Bautrupp dann schon noch mit geeigneter Ausrüstung erscheine, um alles korrekt auszustecken. Und genau so war es auch. Als wir nämlich ein paar Tage später von unserem Safari-Ausflug zurückkehrten, war der Aushub für das erste Fundament bereits geschaufelt (von Hand natürlich), die Winkel korrekt gesetzt und die Bauarbeiter fleissig am Werk. Welch wunderbarer Anblick! Und täglich waren enorme Fortschritte sichtbar, die Mauern wuchsen in die Höhe, die Türrahmen waren ebenfalls gesetzt, das Haus nahm schnell Formen an.

Ein ganz wichtiger Teil des Hausbaus ist die Herstellung der Backsteine. Ein Teil wird von der umliegenden Dorfbevölkerung bezahlt – umgerechnet 20 Rappen pro Haushalt wurden beschlossen-, der andere Teil wird selbst hergestellt. Und das geht so: Man sucht sich einen geeigneten, alten Ameisenhaufen, gräbt diese lehmige Erde ab und vermischt sie mit Wasser: Das gibt ein ziemliches Schlammbad! Diesen nassen Lehm presst man von Hand in die dafür vorgesehene Doppelform aus Holz und legt dann die so entstandenen Quader am Boden zum Trocknen aus. Idealerweise gibt es dafür neben dem Ameisenhaufen ein genügend grosses, ebenes Stück Gelände. Damit die Backsteine nicht zu rasch trocknen und rissig werden, müssen sie mit Gras bedeckt werden. Anschliessend wird ein Ofen gebaut und die Backsteine gebrannt und wieder abgekühlt. Dieser ganze Herstellungsprozess dauert (eigentlich) 19 Tage. Aber nur theoretisch. In Wirklichkeit dauert das in Sambia natürlich etwas länger. Und wie viele Backsteine braucht es für ein Doppelhaus? Diese Frage wurde selbstverständlich von Lis beantwortet, zu deren enorm vielseitigen Aufgaben manchmal eben auch die Lösung von architektonischen Anliegen gehört.

Was mich an diesem Projekt besonders beeindruckt hat, ist zu spüren, mit wie viel Freude und Elan das Team dort seine Aufgaben angeht. Zu sehen, wie viel das Old People Village ihnen bedeutet und Wert ist; zu sehen, wie sie miteinander Lösungen suchen, finden und umsetzen. Den Grundstein dafür haben Lis und Peter Musambachime zusammen gelegt, als sie kurz nach Lis’ Ankunft die gesamte Trägerschaft umstrukturiert haben und die lokalen Institutionen und Autoritäten ins Boot holten: je eine Vertreterin der Dorfvorsteher, der  Chieftainess, der Sisters des St. Luke‘s Hospitals und des Sozialamtes des Distrikts. Allen diesen Menschen ist das Projekt wichtig, und der Verwaltungsrat ist somit mit Vertretern von Institutionen besetzt und nicht mit Einzelpersonen, die eigene Interessen verfolgen. Dies war auch gut zu spüren an der ersten Generalversammlung von Mulele Old People’s Village Ltd., die ebenfalls während meines Besuchs stattgefunden hat. Alle Mitglieder sind froh und dankbar über dieses wichtige Projekt für alte Menschen und wollen, dass es auch in Zukunft bestehen und finanziert werden kann. Weshalb auch der Entscheid der Finanzierungsbeteiligung an den Backsteinen (siehe weiter oben) zwar lebhafte Diskussionen auslöste, jedoch mitgetragen wird. Denn Lis hat ganz simpel aber sehr anschaulich dargestellt, wie es mit den Finanzen steht und was es braucht, um das Loch zwischen Ausgaben und Einnahmen zu stopfen. Das kollektive «Ahaaaaaa» am Schluss der Erläuterungen bezeugte, dass es alle verstanden hatten.

Mulele Old People Village Sambia
General Board Meeting

Und ich konnte mich überzeugen, dass jeder gespendete Franken auch wirklich zweckmässig eingesetzt wird. Abzüge gibt es nur für die Spesen beim Banktransfer. Falls sich jemand gerne an der Finanzierung eines Doppelhauses beteiligen und damit die alten und bedürftigen Menschen in Mpanshya direkt unterstützen möchte: Lis Krämer gibt gerne jederzeit per Mail Auskunft (kraemerlis@gmail.com).

Die Menschen dort sind mir ans Herz gewachsen – am liebsten wäre ich noch viel länger bei ihnen geblieben! Und so kann ich sicher auch in ihrem Namen sagen: Zikomo Kwambiri, musale bwino – danke vielmals und bleibt gesund!»

Susanne Widmer


Weitere Informationen zum Projekt Mulele Old People Village finden Sie auch hier.