Spiritualität im Alltag – Wonnemonat Mai

Den heutigen Beitrag schreibe ich ganz ungeniert ab und empfehle Ihnen damit die Zeitschrift «Sonntag» – www.dersonntag.ch – die grösste katholische Wochenzeitschrift, die es seit 1920 gibt. Denn in deren neuster Ausgabe vom 4.5. gibt es einen Beitrag von Kurt Bucher mit dem Titel «Eitel Wonne soll und darf sein» zum Monat Mai. Zuerst erklärt Bucher, wie es zum Namen «Wonnemonat» für den Mai gekommen ist. Und dann erfreut er sich selbst an dem wundervollen Wort «Wonne» das heute kaum mehr gebräuchlich ist und doch so schön. Und dann macht er uns einen Vorschlag, nämlich «diesen Maimonat so zu gestalten, dass er  … zu einem wirklichen Wonnemonat wird: bewusst und mit gutem Gewissen einen wonnevollen «Jetzt-erst-recht»-Gegensatz zu leben in einer weitverbreiteten pessismistischen Stimmung in einer aus den Fugen geratenen Welt.» Wie kann das gehen? Bucher weiss erst mal, wie es nicht gehen kann:  «Lebensfreude kann sich nicht einstellen, wenn wir uns von der Anerkennung anderer abhängig machen, wenn wir zu hohe Erwartungen an uns selbst haben, wenn wir uns selber im Grunde gar nicht mögen oder ständig mit Selbstvorwürfen bombardieren … Wenn ich will, dass Lebensfreude in mir sprudelt, dann muss ich mir erst mal innerlich erlauben, mich wohlzufühlen und mir auch immer wieder etwas gönnen wollen und zwar nicht erst,  nachdem alles erledigt ist, was ich erledigen wollte oder zu müssen meinte. Dieses Etwas kann auch nichts sein, kann auch heissen, täglich eine halbe Stunde nichts zu tun, nur nachzudenken, von nichts und niemandem gestört … Lebensfreude kann aus uns selbst kommen, ohne das Zutun anderer Menschen, auch dadurch, dass wir neugierig sind, mal die Alltagsroutine durchbrechen, etwas Unübliches, vielleicht Verrücktes tun. Freude erwecken und am Leben erhalten, können aber auch äussere Ereignisse, alles, was uns widerfährt und von uns als positiv und wohltuend gewertet wird – ein Lob oder Kompliment von anderen, ein Lächeln von anderen, ein beruflicher oder persönlicher Erfolg, die neu erblühte Natur, ein Sonnenuntergang, ein Regenbogen, der Erhalt einer guten Nachricht, zärtliche Gesten des Partners, ein verständnisvolles Gespräch mit einem Freund, das Kennenlernen von Menschen mit gleicher Wellenlänge … Wäre es nicht schön, wenn wir am Ende unserer Tage sagen könnten: Meine Freude war es bei und unter Menschen gewesen zu sein.» Und dann wird er wunderbar theologisch: «Gott… wäre wohl nicht Menschen geworden, wenn er nicht gerne unter Menschen gewohnt hätte.» Diese Erkenntnis ist eine alte Glaubenstradition, an die Bucher jetzt erinnert. Gottes Wonne unter den Menschen zu wohnen, formuliert ein Sprichwort in Sprüche 8,31. Im 17. Jahrhundert wurde Jesus Christus als Wonne besungen. Und Martin Luther hat in einer seiner Tischreden gesagt: «Die Freude ist der Doktorhut des Glaubens.» Studieren wir sie im Wonnemonat Mai und üben sie ein. Nicht nur am Sonntag.

Peter Zürn