Ein schlafender Gott?

Schläft Gott überhaupt? Hat Jesus tatsächlich geschlafen im Boot? Ich habe gute Gründe, dies zu bezweifeln. Was ist passiert? Ein heftiger Wirbelsturm erhebt sich, Wellen schlagen ins Boot, der Sohn Gottes schläft, seine Jünger geraten in Panik. Und ich frage mich, warum ich glaube. Zuerst frage ich jedoch, woran glaubten die Jünger Jesu damals?Ich glaube nicht, dass Gott schläft. Wenn er überhaupt schläft, dann gewiss nicht tief. Nur halb. Wenn vom Schlaf die Rede ist, dann ist eines jedoch sicher. Dieser im Boot schlafende Gott wendet sich von den Menschen nicht ab. Im realen Leben, in manchen Situationen liegt das Gefühl nahe, von Gott verlassen zu sein. Während viele Menschen um Leben und Tod ringen und ihr Lebensschiff in arger Bedrängnis liegt, «schläft» Gott. Wenden sich nicht zahllose Menschen in ihren oft schrecklichen Lebensstürmen von einem schlafenden Gott ab? Ist das nicht ein großes Risiko? Es ist ein großes Unrecht, vom «schlafenden» Gott zu reden, nur weil Gott nicht eingreift, wie wir es wollen.  Vielleicht hat das mit dem Kleinglauben zu tun. An die Stelle des totalen Vertrauens und der unbedingten Hingabe an Gott tritt die menschliche Selbstbehauptung, der fordernde Wille oder gar die Verzweiflung. Der Kleinglaube erwartet, dass Gott etwas sagen oder tun müsste.  Und somit mein Glaube. Mir genügt zu wissen, dass Gott, ja mein Gott, auch im Boot ist. Ob besetzt ist, ob er sich mit anderen unterhält, weiss ich, dass er da ist. Dem tiefen Glauben genügt es zu wissen, dass Gott im Boot ist. Der Herr schläft im Boot, aber er ist da und seine Gegenwart genügt und beruhigt.  Im Boot der Zeit ist es Abend geworden, sehr dunkel durch die drohenden Katastrophen in der Schöpfung oder mit der Technik. Wirbelstürme werfen unser Boot hin und her: Misstrauen in die Politik und Kirche, besorgniserregender Personalmangel in der Kirche, zunehmender Egoismus, verwirrende Anonymität in der digitalisierten Welt, verunsichertes Sozialsystem, beschleunigter Abstieg in die Armut bei manchen Bevölkerungsgruppen, fragwürdige weltweite Migrationspolitik, etc… Das Wasser steht uns bis zum Hals. Kümmert es dich nicht Gott, wenn wir zu Grunde, gehen? Wo bist du Gott? Und es scheint, als gebe es heute keine Antwort mehr, ausser dem Heulen des Sturmes oder ist das Schweigen Antwort?  Ich glaube an die Gegenwart unseres Gottes mitten im Boot des Lebens durch die Zeit. Und ich weiss, dass er irgendwann eingreift; ich weiss, dass er den Sturm stillt, und die Wellen in ihre Schranken verweist.  Ich weiss, dass uns Gottes Liebe trägt. Gott ist doch der Freund des Lebens par Excellence. Er will uns immer wieder beschenken mit Leben, Kraft, Glück, Freude, Gesundheit, Erfolg, Friede und abgesichertem Lebensabend. Er will nicht, dass wir unsere Freiheit missbrauchen, dass wir ohne Rücksicht auf die Würde unserer Mitmenschen handeln.  Ich weiss, dass Gott will, dass wir uns zu ihm hinbewegen, ihn danach fragen, dass er eingreift in unser Leben, in unsere Träume, in unsere Pläne. Er will, dass wir von seiner Gegenwart, ja seinem verborgenen Dasein unter uns Gebrauch machen. Zum Lob seines Namens. Wenn Gott schläft, schläft er nicht. Er hält Wache für dich, für mich… und wartet auf dich.  Abbé Zacharie Wasuka, Leiter der Seelsorgeeinheit Killwangen/Neuenhof/Spreitenbach