Spiritualität im Alltag: Gott im Brot

Gott im Brot

Zehn Tage vor Weihnachten lud der Verein „Tischlein-deck-dich“ Freiwillige ein, die sich an der neuen Ausgabestelle in Wettingen engagieren wollen. Lebensmittel, die noch einwandfrei sind, aber zum Wegwerfen aussortiert sind, sollen an Bedürftige verteilt werden.

Mehr als 30 Personen kamen zusammen. Sie brachten eine so grosse Bereitschaft für ehrenamtliches Engagement mit, dass sie gebeten wurden, sich nur einmal pro Monat einzutragen, damit in der Anfangsphase des Projekts alle einmal drankommen. Dieses Engagement hat mich berührt und begeistert.

Das ganze Projekt hat mich auch zum theologischen Nachdenken angeregt. Über 2 Millionen Tonnen einwandfreier Lebensmittel werden in der Schweiz pro Jahr weggeworfen. Gut ein Drittel der produzierten Lebensmittel landen im Abfall statt auf dem Teller. Jeder Schweizer Haushalt gibt jährlich etwa 1’000 Franken für Lebensmittel aus, die nicht gegessen werden. Was für ein Irrsinn. Was heisst das für mich – als Katholik und Theologe?

Ich glaube, dass ich im Gottesdienst Gott begegne – in einem Stück Brot. Dieses Stück Brot wird hochverehrt. Es wird in goldenen Gefässen aufbewahrt. Menschen beugen die Knie, wenn sie ihm nahe kommen. Ehrfürchtig nehmen sie es zu sich. Das ist würdig und recht. Aber kann es mir dann egal sein, was mit all den anderen Stücken Brot geschieht? Müsste nicht im Gegenteil ein Aufschrei durch alle katholischen Kirchen gehen, wenn Brot weggeworfen wird und im Abfall landet? Und was für Brot gilt, gilt für alle anderen Lebensmittel. Die Achtsamkeit für Gott im Brot müsste uns achtsam machen für den Umgang mit unseren Lebensmitteln. Es ist nicht so. Soweit ich sehe, gehen wir Katholikinnen und Katholiken mit Lebensmitteln etwa genauso um wie die meisten anderen Menschen in der Schweiz auch. Das heisst, auch wir werfen ein Drittel davon ungebraucht weg. Macht uns das nicht unglaubwürdig? Ich finde schon.

Lässt sich das ändern? Ich finde ja. Wie kann aus dem ehrfürchtigen und achtsamen Umgang mit Hostien im Gottesdienst ein veränderter Umgang mit Lebensmitteln überhaupt werden? Das ist eine Frage, über die es sich nachzudenken lohnt. Denkt jemand mit? Wenn in diesen Tagen in Wettingen die neue Ausgabestelle Tischlein-deck-dich-startet, ist das doch ein guter Anlass auch mit dem theologischen Nachdenken darüber anzufangen.

Peter Zürn