Zur Fastenkampagne 2021

Klimagerechtigkeit. Sehen und Handeln

Mit der Fastenzeit wird uns nun nach der Feier der Geburt unseres Herrn Jesus Christus eine zweite intensive, spirituelle Zeit im liturgischen Jahreskreis angeboten. Es sind vierzig Tage, in denen wir uns auf das Osterfest durch Fasten, Beten  und  tätige  Werke  der  Nächstenliebe  vorbereiten.  Im  Neuen  Testament  wird  dem  Konzept  «Gottes  Liebe»  eine  besondere  Bedeutung  zugemessen.  An  vielen  Stellen  ist  die  Rede  von  der  Liebe  Gottes.  Am  Anfang  des  Christseins  steht  nicht  ein  ethischer  Entschluss  oder  eine  grosse  Idee,  sondern  die  Begegnung  mit  einem  Ereignis,  mit  einer  Person  Gottes,  die  als  der  liebende  Gott  fungiert. Mit der Zentralität der Liebe hat der christliche Glaube aufgenommen, was innere Mitte von Israels Glauben war und dieser Mitte zugleich eine neue Tiefe und Weite gegeben. Jesus hat dieses Gebot der Gottesliebe mit demjenigen der  Nächstenliebe  aus  dem  Buch  Levitikus:  «Du  sollst  deinen  Nächsten  lieben  wie  dich  selbst»  (19,18)  zu  einem  einzigen  Auftrag  zusammengeschlossen  (vgl.  Mk 12,29-31). Die Liebe ist nun dadurch, dass Gott uns zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,10), nicht mehr nur ein «Gebot», sondern Antwort auf das Geschenk des Geliebtseins, mit dem Gott uns entgegengeht. Die Nächstenliebe wird jedoch in der diesjährigen Fastenzeit in einer

aussergewöhnlichen Weise praktiziert. Denn in Anlehnung auf das Motto der Fastenkampagne 2021 «Klimagerechtigkeit. Sehen und  Handeln»  richtet  sich  die  Nächstenliebe  nicht  nur  an  uns  Menschen,  sondern auch an die Erde und alle auf deren Boden existierenden Wesen. Kurzum an  die  Schöpfung.  Anders  gesagt,  Nächstenliebe  in  diesem  Jahr  dürfen  wir  als  Respekt vor der Umwelt üben. Denn die Klimaerwärmung fordert uns alle heraus.

Wer  Gott  liebt,  liebt  auch dessen Schöpfung  und  setzt  sich  ein für  Umweltschutz;  er  steuert  gegen  die  Klimaerwärmung.  Mehr  als  die  Hälfte  aller  Treibhausgase  stammen  aus  unseren  Industrieländern.  «Grossflächige  Waldrodungen  für  Monokulturen, intensive Stickstoffdüngung und die Zerstörung von Böden als wichtige  CO2-Speicher  treiben  den  Klimawandel  rasant  voran.  Hinzu  kommt  ein  globalisiertes  Ernährungssystem,  in  dem  Lebensmittel  tiefgekühlt  um  die  halbe Welt transportiert und zu Fast Food verarbeitet werden – oder ungenutzt im Abfall landen», heisst es in einem Bericht.

«Wähle das Leben», lautet Moses Aufforderung (Mose im Deueronomium 30,19). Dieser Appell wurde von Jesus aus Nazareth dadurch vervollständigt, dass er sich für das Leben in Fülle einsetzte (Joh 3). Leben zu wählen, gewinnt im Kontext der Klimaerwärmung neue Brisanz. Der lange Atem und das Risiko der Resignation sollen uns nicht davon abhalten, die Stimme der Erde zu hören und unser Tun auf das Leben hin ausrichten.  Als  Christen  wählen  wir  das  Leben,  und  wer  das  Leben  wählt,  wählt  Jesus. Wer Jesus wählt, erklärt sich bereit, an der Bewahrung der Schöpfung mitzuwirken. Das ist auch Nächstenliebe.

Abbé Zacharie