125 Jahre St. Sebastian – ein kurzer Blick in Vergangenheit und Zukunft

125 Jahre St. Sebastian – ein kurzer Blick in Vergangenheit und Zukunft

Liebe Pfarreiangehörige

Nicht nur in den weltlichen Medien, sondern auch im Horizonte schleicht sich mit den beginnenden Sommerferien das obligate Sommerloch ein. So will ich diese Gelegenheit nutzen und ein wenig Rückblick und Ausblick wagen – verbunden mit einigen Gedanken zur aktuellen kirchlichen Lage.

Schon lange vor Corona hatte der Pfarreirat beschlossen das diesjährige 125-jährige Jubiläum der Pfarrkirche nicht als grosses Fest zu feiern, sondern verteilt übers Kirchenjahr. Einige schöne Anlässe und Aktionen haben schon stattgefunden, weitere werden folgen.

125 Jahre – Wenn ich St. Sebastian so anschaue, fällt mir oft das Lied «Ein Haus voll Glorie schauet, weit über alle Land. Aus ew’gem Stein erbauet, von Gottes Meisterhand.» ein. In meiner Heimatpfarrei wurde dieses Lied in meiner Kindheit bei sämtlichen Hochfesten geschmettert und war meist ein Gänsehaut-Moment, wenn der Organist in die Tasten haute. Sehr spannend zu bedenken, in welcher Zeit dieses Bekenntnis-Lied entstanden ist. Im späten 19. Jahrhundert fand die katholische Kirche in Deutschland durch den Kulturkampf zu neuer Identität und strotzte mit solchen Liedern nahezu vor Selbstbewusstsein oder wollte dieses zumindest aufbauen.

Ja, das katholische Selbstbewusstsein. Ist es noch da? Ist es gut, dass es weg ist? Auf viele Fragen gibt es viele Antworten. Woran ich im Kontext von katholischer Identität und alten Kirchenlieder denken muss, ist vor allem Gejammer. Das Jammern ist besonders laut, wenn eine neue Statistik der Kirchenaustritte erscheint. Alle Jahre wieder geht ein tiefes Luftanhalten und Geraune durch die Menge der Christenheit. Nicht jedes Jahr, aber in steter Regelmässigkeit, so auch dieses Jahr, wird von einem historischen Höchststand gesprochen. Und auch wir kennen dieses Jammern und Bibbern: So viele Leute treten aus, wir haben keine Priester mehr, Gottesdienste entfallen, es kommen nur so wenig Leute… usw. Obwohl unsere Kirchenlieder uns oft etwas anderes suggerieren, so ist es bei weitem keine neue Erkenntnis, doch man kann es wohl nicht oft genug feststellen: Die Zeiten der Volkskirche sind vorbei. Aber keine Sorge: Jeglicher Aufruhr um die Zahlen ist in kurzer Zeit wieder vergessen und es wird weiter gemacht. Warum auch nicht? Das Leben ist von so vielen Abschieden geprägt und die Zeit des Abschieds von einer Kirche, die wir kannten, ist lange gekommen. In mancherlei Hinsicht ist sie nun ein Gegenpol zur Welt und muss sich so auch von dem Gedanken verabschieden, eine Volkskirche zu sein. Wir werden nicht mehr, wir werden nicht ad hoc glaubwürdiger und die «guten alten Zeiten» kommen nicht zurück. Etwas sehr Wesentliches bleibt uns jedoch: unser Glaube. Die Kirche des Anfangs überzeugte mit einer neu- und einzigartigen Botschaft: mit der FROHEN Botschaft! Ich wünsche mir für unsere Kirche mehr Freude und weniger Gejammer. Die, die wir (noch) da sind, haben es in der Hand das Miteinander zu gestalten. Wir sind frei zu entscheiden, ob wir unsere Energie ins Jammern stecken wollen oder in das, was ist und werden kann. Ja, Gott ist mit uns. Das verspricht er uns immer wieder neu. Aber er hat uns nicht versprochen unsere Strukturen und Mitgliederzahlen bis in alle Ewigkeiten zu erhalten. Unser Auftrag hingegen bleibt zu allen Zeiten gleich, egal wie viele wir sind: Macht meinen Namen in der Welt bekannt.

So freue ich mich weiterhin, in diesem Sommer, im restlichen Jubiläumsjahr und darüber hinaus mit Ihnen unterwegs auf der Suche nach dem zu sein, was Freude bereitet und den Glauben leben lässt.

Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Sommer!

Christina Wunderlin