Hungertuch

Erklärungen Hungertuch 2023/24

Der Künstler

Emeka Udemba, 1968 geboren in Enugu (Nigeria), studierte Kunst an der Universität von Lagos in Nigeria und bekam einige Stipendien in Deutschland, Frankreich und Südafrika. Heute lebt und arbeitet er in Freiburg.

Mit seiner Kunst verbindet Emeka Udemba verschiedene Medien und nutzt die Überschneidung von Bildern und Strukturen als Mittel. Er versucht damit einen tieferen Einblick in die Art und Weise zu gewinnen, wie wir miteinander kommunizieren, wie wir Identität und Kultur formulieren (oder verbergen) – und wie diese Elemente unser kollektives Bewusstsein beeinflussen. 

Weitere Informationen: emeka-udemba.com


Generelles zum Hungertuch – mehr als ein alter Brauch

Geschichtlich lässt sich das Hungertuch bis etwa ins Jahr 1000 zurückverfolgen. Das Hungertuch  bekam im Laufe der Geschichte verschiedene Namen, velum templi, also Tempelvorhang, so hiess es im Mittelalter. Im östlichen Alpenraum und damit vor allem in Kärnten kennt man die Hungertücher unter dem Namen «Fastentücher». In Tirol findet man gelegentlich die Bezeichnung «Leidenstücher». Im niederdeutschen Sprachgebrauch haben sie die Bezeichnung «S[ch]machtlappen». In der Schweiz, in Schwaben und im Elsass, aber auch in Westfalen und in Sachsen werden sie «Hungertücher» genannt. Weil die Fastenzeit offensichtlich für viele auch eine echtes Hungern bedeutete – vielleicht gingen in dieser Zeit die aufbewahrten Reserven vom Herbst zu Ende – gibt es den Ausdruck bis heute: am Hungertuch nagen. Der spätmittelalterliche Poet Hans Sachs reimte schon scherzhaft kritisch: «Ich füll mein Wanst und wasch mein Kragen, lasz Weib und Kind am Hungertuch nagen.» Diese verschiedenen Namen weisen auch auf verschiedene Bedeutungen des alten Fastentuch-Brauches in der Geschichte hin:

  • Verhüllen des Mysteriums
    Die Altarverhüllung durch ein «velum templi» gehörte zum mittelalterlicher Brauchtum in der Fastenzeit. Der Theologe  Wilhelm Durandus von Mende (†1296) bezeugte schon im 13. Jahrhundert: «Das Tuch, welches in der Fastenzeit vor dem Altar aufgehängt wird, versinnbildet den Vorhang, der die Bundeslade verhüllte und beim Leiden des Herrn zerriss; nach diesem Vorbild werden heute noch Tücher von mannigfacher Schönheit gewoben.»
    Am Aschermittwoch wurde es aufgehängt, und zwar bis zum Karfreitag,  wo im Gottesdienst die Stelle vorgelesen wurde, dass nach dem letzten Schrei Jesu  am Kreuz im Tempel der Vorhang mitten entzwei zerriss. Verhüllen bedeutet aufwerten, nicht nur bei Geschenkpäckchen. Noch heute gibt es diese ehrfurchtsvolle Verhüllung des Gottesdienstgeschehens in der Ostkirche, wo zwischen Altar und Volk eine Ikonostase aufgestellt ist. Die Abstinenz vom sichtbaren Mitvollzug am heiligen Geschehen in der Fastenzeit  war eine Art der Vorbereitung, die die Grösse des Geheimnisses neu erlebbar machte. Dieses Fasten mit den Augen wurde ergänzt durch das Fasten der Ohren: Keine Glocken und keine Orgelmusik.
  • Biblia Pauperum
    Zusätzlich zum Verhüllen des Altarraums entwickelte sich in vielen Gegenden, z.B. in Kärnten, aber auch in unsern Regionen, eine reiche Bebilderung der Fastentücher. Bilder dienten der anschaulichen Verkündigung und Katechese für die des Lesens unkundige Bevölkerung, Deshalb nannte man diese bemalten Bilderfolgen auch  biblia pauperum, Bibel für die Armen. Durch die Reformation verschwanden die Hungertücher. Die Bibel als Wort Gottes selbst sollte ins Zentrum rücken, das Wort und Bekenntnis (Konfession) wurden wichtig und ersetzte die Bilddarstellung der christlichen Botschaft. In der Barockzeit wurden gleichzeitig im Rahmen der katholischen Passionsfrömmigkeit die Hungertücher durch die theatralisch wirksameren Heiliggräber, Passionsspiele, Fastenkrippen oder Kreuzwege ersetzt. Verhüllen und anschauliche Verkündigung: So können wir die Funktion der Hungertücher in der mittelalterlichen Geschichte zusammenfassen.

Die neuen Hungertücher

Im Vergleich zu dieser Geschichte setzen die neuen Hungertücher bildnerisch und inhaltlich neue Akzente. 1976 erschien beim Misereor (Katholisches Hilfswerk in Deutschland) und im Rahmen der Ökumenischen Kampagne von Fastenopfer, Brot für alle und Partner sein, die sich neben der Entwicklungszusammenarbeit um eine neue Sinndeutung der Fastenzeit bemühten, das erste neuzeitliche Hungertuch des indischen Malers Jyoti Sahi aus Bangalore. Dort wird Christus nicht mehr am Kreuz, sondern tanzend wie Shiva am Weltenbaum dargestellt. Die Deutung der christlichen Botschaft wird mit indischen Symbolen wie dem Schmetterling auf der Lotusblume u. vielen andern bereichert.

Ziel war dabei nicht die Verhüllung des Altarraums. Dafür waren die Hungertücher aus technischen Gründen zu klein,  – die neuen Hungertücher wurden in einem schwierigen Verfahren auf Tuch gedruckt, damit sie nicht nur für eine Kirche genutzt, sondern weit verbreitet werden konnten. Es ging den Hilfswerken vorrangig um die biblia pauperum-Funktion, um ein neues Verständnis von Mission, nämlich Mission als Dialog zwischen reichen und armen Kirchen im Kontext unterschiedlicher Religionen und Kulturen. Die Fastenzeit sollte in einem ganz neuen Sinn eine Bussezeit sein, nämlich eine Umkehr zum Teilen. Teilen ist eine Neuentdeckung dessen, was christliche Botschaft heute bedeutet: Miteinander sowohl materielle Gaben (Entwicklungszusammenarbeit) wie auch spirituelle Erfahrungen und Impulse teilen.

Quelle: Webseite Fastenaktion

 


Meditation zum Hungertuch