Der Zairische Ritus

Der Zairische Ritus

«Man schläft nie ein während eines afrikanischen Gottesdienstes im Kongo»


An den Afrika-Tagen in unserem Pastoralraum durften wir am Samstag, 9. November, einen speziellen Gottesdienst im Zairischen Ritus feiern. Nachstehend erklärt Ihnen Joseph Kalamba, wie sich ein solcher Gottesdienst von dem unterscheidet, was wir uns hier in der Schweiz gewohnt sind zu feiern:

Die Grundstruktur der Messe bleibt katholisch und ist doch von einigen Besonderheiten unserer typisch kongolesischen Kultur geprägt. Der Chor singt immer zu den Prozessionen. Zusammen mit den Ministranten, Liturgen und Priestern schreitet er bis zum Altar mit einem feinen, rhythmischen Sakraltanz. Ebenso feierlich ist der Auszug.

Der gesamte Mensch mit Leib und Seele steht im Gebet vor Gott. Oft habe ich den festen Eindruck, dass der Körper bei vielen europäischen Christen wie amputiert ist! Die aktive Teilnahme der afrikanischen Gläubigen als Menschen mit Leib, Seele und Geist kommt besser zum Ausdruck, wenn die betende Gemeinde, zusammen mit dem Priester, bei verschiedenen Gebeten, und besonders beim Vater unser, die Hände erhebt.

Zu den Liedern wird normalerweise mitgeklatscht. Der Gloria-Gesang wird zudem mit einem Tanz von Priestern, Ministranten und Liturgen um den Altar begleitet, genau wie der König David vor Gott vor Freude tanzte (2. Samuel 6,16). Dabei gibt es auch im Gottesdienst einige wichtige Momente der Stille, der Meditation, beispielsweise bei der Konsekration im Hochgebet.

Das Evangelium wird dem Priester öfters von zwei Erwachsenen in einem Globus nach vorne gebracht, ebenfalls mit einer Prozession mit rhythmischem Gesang. Warum das Evangelium im Globus? Hier steckt bis heute die tiefe afrikanische Überzeugung an die Inkarnation Christi: Die Botschaft Jesu Christi liegt im Kern dieser Welt und sie ist Licht für die ganze Welt. Es ist nun an uns, sie auszubreiten, um unsern Alltag zu beleuchten.

Das Kyrie-Gebet kommt erst nach der Predigt. Erstens, um die Freude des Gottesdienstes ganz am Anfang zu bewahren. Zweitens: Nachdem die Gemeinde das Wort Gottes gehört und die Kluft zwischen seinem Willen und dem Alltag gesehen hat, soll sie sich nun bekehren.

Eine weitere afrikanische Besonderheit liegt in der aktiven Teilnahme der Gemeinde. Im Gegensatz zum europäischen Individualismus liegt vielen Afrikanern die Gemeinschaft am Herzen. Bei der gesungen Doxologie und bei Akklamationen wie bei Gesten des Applauses nach der Predigt (um Christus zu würdigen) ist der Gläubige nicht allein. Die «Familie Gottes» trifft sich! Dafür nimmt man sich auch Zeit, mindestens 1,5 Stunden für einen «normalen» Gottesdienst. Zutreffend sagt man im Scherz: «Als Gott die Welt schuf, gab er den Europäern (und besonders den Schweizern!) die Uhr, den Afrikanern aber die Zeit».

Euer Joseph Kalamba Mutanga, leitender Priester in der Seelsorgeeinheit Wettingen-Würenlos